Die 2021 geschaffene Regelung des § 44b UrhG kommt ganz unschuldig daher: Sie regelt die grundsätzliche Zulässigkeit von Text- und Data-Mining, und zwar auch in online zugänglichen Werken, aber gemäß ihrem Absatz 3 nur dann, wenn der Rechteinhaber sich eine solche Nutzung nicht vorbehalten hat, und zwar in einem „maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt“. Gemeint ist, dass Mining nur dann im Rahmen von § 44b UrhG erlaubt ist, wenn auf einer Website nicht erwähnt wird, dass der Rechteinhaber der auf der Website angebotenen Werke das Mining nicht gestattet. Wie genau das auf der Website erwähnt werden muss, ist völlig unklar, und das liegt nicht zuletzt am Begriff der „Maschinenlesbarkeit“.
Der Begriff ist nämlich keineswegs so klar definiert, wie man annehmen könnte, sondern ganz im Gegenteil eigentlich völlig unklar. Technische Standards für maschinenlesbare Texte gibt es, nur sagt das Gesetz nicht, welcher Standard anwendbar sein soll. Die Fortschritte moderner Technik führen dazu, dass etwa das Landgericht Hamburg in seinem Ende September 2024 ergangenen Urteil im LAION-Verfahren annimmt, dass selbst in natürlicher Sprache verfasste Texte maschinenlesbar sein sollen, zum Beispiel in auf der Website irgendwo (in einer letztlich beliebigen Sprache) enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (etwa: „Stop! Niet schrapen!“, oder „Nutzungsvorbehalt für das Text- und Data-Mining“, oder „Извличането на данни не е разрешено“).
Man müsse halt eine KI-Anwendung einsetzen, so das Gericht, um zu ermitteln, ob eine Website einen Nutzungsvorbehalt enthalte. Dass man eine solche KI-Anwendung erst einmal trainieren müsste, und zwar mit Texten, von denen man noch gar nicht weiß, ob man sie verwenden darf (das will man ja gerade herausbekommen), ist dem Landgericht zwar auch aufgefallen, wird aber (in Rn. 99 des Urteils) mit einer (falschen) Gleichsetzung von KI-Anwendungen mit Webcrawlern beseite gewischt. Leider nicht von der Hand zu weisen ist dagegen der Hinweis des Gerichts (in Rn. 98 des Urteils) auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. c) der EU-KI-Verordnung 2024/1689, der davon spricht, dass Nutzungsvorbehalte (dort als „Rechtsvorbehalte“ bezeichnet) unter anderem durch „modernste Technologien“ ermittelt werden müssen. Ob sich diese Auslegung von „Maschinenlesbarkeit“ durchsetzen wird? Niemand weiß es. Böse Stimmen behaupten, dass der Gesetzgeber das absichtlich so undeutlich formuliert hat, damit § 44b UrhG einen möglichst geringen Anwendungsbereich hat.
Wenn Sie angesichts dieser unklaren Rechtslage immer noch Text- und Data-Mining im Internet betreiben und Websites scrapen wollen, dann sind Sie gut beraten, dafür nicht § 44b UrhG, sondern § 60d UrhG als Rechtsgrundlage zu wählen: Sie müssen nur einen Verein gründen und wissenschaftliche Forschung betreiben (so wie die beklagte Partei im LAION-Verfahren), dann kommt es auf einen etwaigen Nutzungsvorbehalt des Rechteinhabers nicht an.