Im Prinzip strebt die EU-Richtlinie 2019/882 zwar durchaus eine Vollharmonisierung an (siehe Art. 6 RL), aber eben nur eine Vollharmonisierung gerade der Barrierefreiheitsanforderungen:
Die Mitgliedstaaten dürfen die Bereitstellung von Produkten, die dieser Richtlinie genügen, auf dem Markt in ihrem Hoheitsgebiet oder die Erbringung von Dienstleistungen, die dieser Richtlinie genügen, in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen verbieten, die mit Barrierefreiheitsanforderungen in Zusammenhang stehen.
Indes ist diese Regelung mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, weil die Richtlinie den Mitgliedstaaten ein paar Umsetzungsspielräume einräumt, so dass nationale Regelungen über Barrierefreiheitsanforderungen in Teilen nach wie vor miteinander inkompatibel sein dürfen. Zu nennen wären etwa:
Dann gibt es natürlich (Stichwort Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten) noch die von einander abweichenden nationalen Behördenstrukturen und die unterschiedlichen nationalen Regelungen über Verwaltungsverfahren.
Zu guter Letzt: Einzelne Mitgliedstaaten nehmen sich offenbar ein paar Freiheiten heraus und setzen die Richtlinie „kreativ“ in nationales Recht um. Frankreich etwa regelt in Art. 7 des Dekrets Nr. 2023-778 vom 14. August 2023 so etwas:
Die Bestimmungen dieses Dekrets gelten ab dem 28. Juni 2030 für E-Books und hierfür bestimmte Software, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht werden.
Das ist ersichtlich auf die Übergangsbestimmung in Art. 32 Abs. 1 RL gemünzt, die eine solche Regelung aber meines Erachtens nicht hergibt.