Skripte und „Skripte“ im AVM-LGPL-Verfahren

20. Januar 2025
Die Klage gegen den Fritzbox-Hersteller AVM auf Herausgabe von vollständigem LGPL-lizenziertem Quellcode ist ohne Urteil zu Ende gegangen. In dem Verfahren ging es unter anderem um „Skripte“, die AVM als beklagte Partei zur Verfügung stellen sollte. Offenbar gibt es einige begriffliche Verwirrung – was sind eigentlich „Skripte“ im Sinne der (L)GPL?

Die GNU Lesser General Public License, Version 2.1 (LGPL) von 1999 definiert in ihrer Ziffer 0, dass der Quellcode einer Softwarebibliothek (library) auch die

scripts used to control compilation and installation

.. umfasst. Genau um diese Formulierung ging es in der Klage, die ein von einer NGO unterstützter Kläger im Juli 2023 vor dem Landgericht Berlin gegen den Fritzbox-Hersteller AVM erhoben hatte. AVM hatte nämlich zwar den Quelltext von Softwarebibliotheken veröffentlicht, die unter der LGPL V2.1 lizenziert in AVM-Routern verwendet werden, aus Sicht des Klägers lizenzwidrig nicht aber auch die „Skripte zu deren Kompilierung sowie [die] Skripte zur dauerhaften Installation dieser kompilierten Bibliotheken“. Das Gerichtsverfahren ist im Juni 2024 ohne Urteil zu Ende gegangen, weil beide Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt hatten. Sowohl der Kläger bzw. die ihn unterstützende NGO als auch AVM sehen ihre jeweiligen Rechtsauffassungen bestätigt.

Offengeblieben ist allerdings die durchaus reizvolle Frage, was denn genau „Skripte“ (scripts) im Sinne der LGPL sind. Es liegt nahe, darunter computerlesbare Skripte, d.h. Computerprogramme zu verstehen, die eben in einer Skriptsprache geschrieben sind. Denkbar ist aber auch, darunter nicht nur Computerprogramme zu verstehen, sondern auch bloße Anleitungstexte für Nutzer, die die für die Kompilierung und Installation erforderlichen Schritte beschreiben, also „menschenlesbare“ Skripte.

Der Kläger in dem Verfahren hat sich dahingehend geäußert, dass AVM die von ihm geforderten „Installationsskripte“ zur Verfügung gestellt habe. Wenn ich nichts übersehen habe, enthalten die insgesamt drei dokumentierten Quellcode-Lieferungen von AVM allerdings keine von AVM stammenden computerlesbaren Skripte zur Kompilierung und Installation, die über die bereits vor dem Prozess zugänglichen Makefiles hinausgehen, sondern lediglich eine für Menschen geschriebene Installationsanleitung, während der Kläger selbst ein (computerlesbares) Skript zum Kompilieren des Quellcodes geschrieben hat. Gleichzeitig wird die den Kläger unterstützende NGO mit der Aussage zitiert, dass AVM während des Prozesses „Kontrollskripte“ für Kompilation und Installation herausgegeben habe.

Die einschlägige Literatur zur Erläuterung der GNU General Public License, Version 2 (GPL), die in ihrer Ziffer 3 dieselbe Formulierung zu Skripten wie Ziffer 0 der LGPL enthält, lässt die Frage nach der erforderlichen Natur von Skripten weitgehend offen (siehe etwa hier). Eine einzelne Äußerung geht klar in die Richtung, dass nur computerlesbare Skripte umfasst sind:

The GPL text only mentions the word „scripts“. But when reading and interpreting the license, it is clearly understood that the license doesn't specifically only mean „scripts“, but any kind of software programs that are required to install a (modified) version of the compiled program.

Sowohl die GPL, Version 3 als auch die LGPL, Version 3 sind gegenüber ihren Vorversionen anders formuliert und sprechen genereller von „Installation Information“ (Ziffer 6 GPL V3, Ziffer 4 LGPL V3), die zur Verfügung zu stellen ist, womit dann auch die hier von AVM bereitgestellten „manual instructions“ (Practical GPL Compliance, S. 24) umfasst sein dürften. Es war vermutlich vor diesem Hintergrund, dass der Kläger nicht darauf bestanden hat, ein computerlesbares (d.h. als Programm ausführbares) Installationsskript zu erhalten, obwohl dies nahegelegen hätte. Die verwirrende Begriffsverwendung ist jedenfalls bedauerlich, weil sie ein Verständnis der (L)GPL V2 erschwert, und zwar gerade vor dem Hintergrund, dass diese (aus den Jahren 1991 bzw. 1999 stammenden) Lizenzversionen in der Praxis noch immer eine Bedeutung haben.

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